Im Interview: Die neue zweiköpfige Landeskoordination des Netzwerks „Schule ohne Rassismus“
Hamburg hat erstmals eine Landeskoordination für das bundesweite Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ eingesetzt. Johanna Jöhnck, Lehrerin an der Elisabeth-Lange Schule, und Christoph Berens, ehemaliger Lehrer an der Stadtteilschule am Hafen und seit drei Jahren am Landesinstitut tätig, koordinieren und unterstützen künftig Hamburger Schulen in ihrem Engagement gegen Rassismus und Diskriminierung. Im Interview geben beide einen Einblick in ihre Arbeit.
Newsletter: Frau Jöhnck, Herr Berens, was hat Sie veranlasst, sich dem Thema Rassismus/Gewalt an Schulen zu widmen? Gibt es persönliche Erfahrungen?
Berens: Ich reagiere allergisch gegen jedwede Form der Diskriminierung, privat und somit auch selbstverständlich beruflich. Insbesondere mit Jugendlichen über Rassismus, Rassismuserfahrungen und anderen Formen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit zu diskutieren und sich dagegen zu engagieren, war für mich immer ein Leitmotiv meines Berufs.
Jöhnck: Als weiße Nordeuropäerin bin ich klar nicht von Rassismus betroffen, als Lehrerin bin ich jedoch mittelbar ständig damit konfrontiert, denn viele meiner Schüler:innen haben Rassismuserfahrungen und ihre Eltern ebenfalls. Deshalb war es für mich schon immer wesentlich für meinen Beruf, mich mit Rassismus und meiner Rolle auseinanderzusetzen. Mein Arbeitsschwerpunkt Prävention von Rechtsextremismus und Antisemitismus hat seinen Ursprung in den rechtsextremen Anschlägen der 1990er Jahre, die mich stark bewegt und geprägt haben.
Newsletter: Können Sie ein paar Beispiele nennen, mit denen sich Schulen als „Schule ohne Rassismus“ qualifiziert haben?
Jöhnck: Zunächst muss es ja zu einem Meinungsbildungs- und Abstimmungsprozess an den Schulen innerhalb der Schüler:innenschaft kommen. Das hat oft einen Auslöser, etwa die geplante oder durchgeführte Abschiebung einer Mitschülerin. Die Ideen, mit denen sich die Schüler:innen bewerben sind sehr vielfältig. Ob das dann ein Aktionstag ist oder sich die Schüler:innen eine Diskussionsreihe zutrauen, hängt von ihrer Erfahrung mit eigenen Projekten ab. Viele Schulen arbeiten auch konkret mit ihren Pat:innen zusammen, veranstalten also Konzerte oder Sportveranstaltungen, die parallel auf ein bestimmtes Phänomen aufmerksam machen.
Berens: In den Schulen in Hamburg finden sehr viele öffentlichkeitswirksame Aktivitäten statt. Aber gerade im direkten Kontakt im Umgang miteinander möchten wir sensibilisieren. Wir möchten eine Atmosphäre an den Schulen unterstützten, in der sich alle aus der Schulgemeinschaft zum Beispiel gegen herabwürdigende Zuschreibungen einsetzen und sich trauen, dagegen zu engagieren.
Newsletter: Wie wollen Sie dazu beitragen, dass weitere Schulen in das Programm aufgenommen werden?
Berens: Durch passende und attraktive Angebote für die Schulen, aber insbesondere auch für Schüler:innen möchten wir für das Netzwerk werben, so dass möglichst viele Schulen sich ebenfalls in der Richtung engagieren wollen.
Jöhnck: Genau! Wir werden jetzt erst einmal das bestehende Netzwerk stärken und uns den aktuellen Anwärterschulen widmen. Wenn das Engagement der Schulen über die schulinterne Öffentlichkeit hinaus bekannt wird, dann wird auch das Netzwerk davon profitieren und wachsen.
Newsletter: Sollte es nicht eine Selbstverständlichkeit sein, Schule ohne Rassismus zu sein? Warum braucht es ein solches Programm?
Berens: Es ist vermessen zu glauben, dass es eine Schule komplett ohne Rassismus und Diskriminierung geben kann. Dieses Schild, dieses Programm soll eine Selbstverpflichtung, eine Art mahnender Zeigefinger sein, sich täglich gegen jegliche Form der Diskriminierung einzusetzen. Für mich wäre es ein großer Erfolg, wenn möglichst viele Schüler:innen die Erfahrung machen, dass sich Engagement gegen Diskriminierung „lohnt“.
Jöhnck: Das sehe ich auch so! Schulen, aber vor allem Schüler:innen, sehen sich ja sehr häufig dem Anspruch ausgesetzt, die bessere Gesellschaft zu repäsentieren. Da wird eine (politische) Haltung gefordert, Engagement erwartet und gleichzeitig werden die Forderungen der Kinder und Jugendlichen infantilisiert und damit abgewertet. Das kann man gut am Umgang mit der Initiative fridays for future sehen. Unsere Aufgabe als Landeskoordination ist es deshalb sicherlich auch, das Engagement der Schüler:innen zu stützen und das kann durchaus bedeuten, dass sich Aktionen zur Sensibilisierung für Rassismus und Antisemitismus vor allem den Erwachsenen widmen - dem gesamten pädagogischen Personal oder den Eltern.
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