Im Interview:
Anja Fährmann, von Beruf „Schulwunsch-Erfüllerin“
Im BSB-Newsletter gibt’s ein neues Format: das Interview. In unregelmäßigen Abständen kommen an dieser Stelle Menschen aus der Schulwelt zu Wort und berichten von ihrer Arbeit. Heute: Anja Fährmann (45), gelernte Juristin und Referentin für Schulorganisation in der Schulbehörde.
Newsletter: Frau Fährmann, die Anmelderunde für die ersten Klassen ist vorbei, nächsten Freitag endet die Anmeldewoche für Klasse 5. Als Teil eines dreiköpfigen Teams müssen Sie in den nächsten Wochen Tausende Schülerinnen und Schüler auf Hamburgs Schulen verteilen. Im Stress?
Anja Fährmann: Die Schulorganisation läuft natürlich das ganze Jahr über, es gibt vieles vorzubereiten und zu besprechen, aber es stimmt: Die Hauptsaison ist jetzt.
Newsletter: Wie muss man sich Ihre Tätigkeit vorstellen?
Anja Fährmann: Unser Ziel ist, so viele Erstwünsche wie möglich zu erfüllen und dabei Räume und Ressourcen im Blick zu behalten. Dabei müssen gesetzliche Vorgaben eingehalten werden, wie beispielsweise die Klassengröße nicht zu überschreiten oder Geschwisterkinder in derselben Schule unterzubringen. Das ist nicht so leicht zu erklären – vielleicht stellen Sie sich alle Schulen auf der Karte von Hamburg als Zahnräder vor. Drehen wir an einem Rädchen, drehen sich alle mit. Die Rädchen sind die Erst- Zweit- und Drittwünsche der Kinder, die oft auch über Bezirksgrenzen hinweg führen.Kurz gesagt: Mein Job ist wie eine Mischung aus Tetris und Domino.
Newsletter: In Hamburg gilt die freie Schulwahl, Eltern können drei Wünsche angeben. Erst wenn an der Wunschschule mehr Anmeldungen eingehen als Plätze vorhanden sind, werden die Schulplätze nach den gesetzlichen Vorgaben vergeben. Im Vorjahr wurden rund 95 Prozent der Erstwünsche erfüllt. Haben Sie einen Tipp, wie man einen Platz an einer Wunschschule bekommt?
Anja Fährmann: Ich rate unbedingt dazu, alle drei Wünsche zu nutzen. Viele Eltern geben nur den Erstwunsch an, weil sie glauben, dann bessere Chancen zu haben. Doch wenn die Erstwunschschule voll und kein Zweitwunsch angegeben ist, teilt die Behörde – nachdem alle anderen Zweit- und Drittwünsche berücksichtigt worden sind – eine Schule in Wohnortnähe zu. Dann ist die Enttäuschung manchmal groß, vor allem bei den Eltern. Doch das muss nicht sein, denn zwei Faktoren, die für den späteren Lernerfolg wichtig sind, kann man durch die Schulwahl ohnehin nicht beeinflussen: den guten Draht zum Lehrer, und ob die Mitschüler nett sind.
Newsletter: Die Entscheidung für die richtige Schule ist für viele Eltern nicht leicht. Wie können sie diese aufregende Zeit gut überstehen?
Anja Fährmann: Es hilft, wenn Eltern entspannt an die Sache herangehen und das Thema Einschulung gerade gegenüber dem Kind nicht so hoch hängen. Ich sage immer: Das Glück des Kindes hängt nicht vom ersten Schultag ab. Kinder kommen in den Systemen gut klar und gehen auch nicht unter, wenn sie nicht an ihrer Wunschschule sind. Oftmals stellt sich die ungewünschte Schule im Nachhinein als gute Wahl heraus.
Newsletter: Sprechen Sie hier aus eigener Erfahrung?
Anja Fährmann: Als meine Tochter, mittlerweile 13, in die fünfte Klasse wechseln sollte, haben wir uns eingehend informiert und einen Plan gemacht, welche Schulen wir uns angucken wollten. Gleich beim ersten Tag der offenen Tür begrüßte uns eine Schülerin mit einem Kaninchen auf dem Arm und erzählte von der Zoo-AG an ihrer Schule. Was soll ich sagen? Meine Tochter wollte sich keine weiteren Schulen mehr anschauen. Die Entscheidung war gefallen. Nicht pädagogische Konzepte oder bilinguale Angebote waren ausschlaggebend, sondern ein Kaninchen! Aber es war eine gute Entscheidung – obwohl die Zoo-AG dann voll war.
Newsletter: Die am meisten angewählten Schulen wechseln jedes Jahr. Woran liegt das?
Anja Fährmann: Das ist oft einfach nur der „Spielplatzfunk“. Wenn Eltern hören, dass eine tolle Lehrerin in Elternzeit geht, eine fähige Schulleitung pensioniert wird oder Baumaßnahmen anstehen, kann aus der Wunschschule schnell eine weniger gefragte Schule werden. Es gibt da riesige Schwankungen. Auch der „Ruf“ einer Schule basiert oft auf irrationalen Erfahrungen Einzelner, die dann übers Internet verbreitet werden.
nach oben