Neue Fünftklässler: Rund 94 Prozent kommen an ihre Wunschschule – Stadtteilschulen im Aufwind
14.358 neue Fünftklässler werden nach den Sommerferien an Hamburgs staatlichen Stadtteilschulen und Gymnasien eingeschult. Die Aufnahmen verteilen sich erstmals fast gleichmäßig auf die beiden Schulformen. Noch vor wenigen Jahren lagen die Gymnasien rund zehn Prozentpunkte vor den Stadtteilschulen, jetzt liegen beide Schulformen auf Augenhöhe. Bildungssenator Ties Rabe: „Das zeigt, dass sich das Hamburger Zwei-Säulen-Schulmodell bewährt hat und mittlerweile über hohe Anerkennung verfügt. Ich freue mich darüber, dass die gute Arbeit und Ausstattung von Hamburgs Schulen von den Eltern anerkannt wird.“
Trotz der in Hamburg geltenden freien Schulwahl ist es den Schulleitungen und der Schulbehörde gelungen, dass rund 94 Prozent der Hamburger Fünftklässler an ihrer Erstwunschschule eingeschult werden können. An den 61 staatlichen Gymnasien beginnen nach den Sommerferien 7.207 Schüler (Vorjahr: 7.582) in 262 Klassen, an den 58 staatlichen Stadtteilschulen werden 6.964 Schüler (Vorjahr: 6.710) in 307 Klassen eingeschult. Die Stadtteilschulen verzeichnen damit in diesem Jahr erneut einen deutlich stärkeren Schülerzuwachs als die Gymnasien. Weiterhin zählen zu den zehn am höchsten angewählten weiterführenden Schulen Hamburgs acht Stadtteilschulen und zwei Gymnasien. Die fünf am höchsten angewählten Schulen sind ausschließlich Stadtteilschulen.
Die meisten Fünftklässler nehmen die Stadtteilschulen Heinrich-Hertz-Schule in Winterhude (185), Julius-Leber-Schule in Schnelsen (185), Gyula-Trebitsch-Schule Tonndorf (184), Stadtteilschule Fischbek-Falkenberg (184) und Irena-Sendler-Schule in Wellingsbüttel (184) auf. Insgesamt konnten für das kommende Schuljahr 6.354 Schüler an der gewünschten Stadtteilschule aufgenommen werden, das sind 165 erfüllte Erstwünsche mehr als im Vorjahr. Bei den Gymnasien ist das Gymnasium Ohmoor in Niendorf mit 196 aufgenommenen Schülern der Spitzenreiter der diesjährigen Anmelderunde. Danach folgen das Walddörfer-Gymnasium in Volksdorf (194) und die Schulen Gymnasium Allee in Altona und Gymnasium Rahlstedt mit jeweils 168 Aufnahmen.
Schulen in schwierigen Lagen stärken: Hamburg und Berlin starten fachlichen Austausch
„What works best“ – was funktioniert wirklich? Vielleicht beschreibt dieser Leitsatz des neuseeländischen Pädagogen und Wissenschaftlers John Hattie am besten, was Hamburg und Berlin in Bezug auf Schulen in herausfordernden sozialen Lagen vorhaben. Mit einem gemeinsamen Werkstattgespräch haben Spitzen der Politik, der Verwaltung und der Schulen selbst sowie der begleitenden Wissenschaft am Mittwoch in Berlin den fachlichen Austausch zwischen beiden Bundesländern über Schulen in sozial benachteiligten Vierteln gestartet.
Grund des Austausches in der Hamburger Hauptstadtvertretung ist ein geplantes Bund-Länder-Programm für Schulen in sozial benachteiligten Quartieren. Die Kultusministerkonferenz wird es voraussichtlich noch dieses Jahr für alle Bundesländer beschließen. Das Programm geht auf eine Initiative der beiden Stadtstaaten Hamburg und Berlin zurück. Seit mehreren Jahren wird sowohl in Hamburg als auch in Berlin mit Erfolg an eigenen Programmen zur Förderung der Schulen in benachteiligten Stadtteilen gearbeitet. Der Bund soll mit dem Programm zukünftig die begleitende Forschung fördern. Schulsenator Ties Rabe: „Wir erhoffen uns durch das Bundesprogramm nicht nur zusätzlichen Rückenwind, sondern auch Ideen und Hinweise für die Weiterentwicklung der eingeleiteten Verbesserungsmaßnahmen.“
Bisher ist jedes Bundesland für die Förderung seiner Schulen in sozial benachteiligten Lagen selbst verantwortlich. Manche Bundesländer geben nach dem Subsidiaritätsprinzip Mittel in die Schulen. Damit sollen diese eigenverantwortlich beispielsweise Personal, Unterricht und Schulprogramme nach eigenen Vorstellungen entwickeln. Andere führen die Schulen in zentralistischer ausgerichteten Programmen zum Ziel. Wieder andere haben nicht mal eigene Programme. Allen gemein ist jedoch der Wunsch, dass die Lernergebnisse in Schulen in herausfordernden sozialen Lagen besser werden mögen. Was auf jeden Fall fehlt, ist eine wissenschaftlich fundierte Begleitung, die die einzelnen Maßnahmen analysiert und evaluiert. Ziel des Bund-Länder-Programms ist es nun vereinfacht gesagt: herauszufinden „what works best“, um es dann auf Schulen in sozial schwierigen Lagen zu übertragen.
Bildungssenator Ties Rabe: „Politische Diskussionen in Schule sind manchmal unbequem, aber richtig"
Seit Jahren organisieren Hamburgs Schulen Diskussionsveranstaltungen mit Politikern. Seit die AfD in den Parlamenten ist, gab es mehrfach Nachfragen von Schulen zum Umgang mit der Partei. Dazu hatte die Bürgerschaftskanzlei als Vertretung des Hamburger Parlaments im vergangenen Jahr klargestellt, es sei für das „Landesparlament undenkbar, eine einschränkende Auswahl der Fraktionen durch die Schulen zuzulassen.“ Weiter heißt es: „Wir sind verpflichtet, alle Fraktionen gleich zu behandeln.“ Diese Einschätzung deckt sich mit der der Juristen der Schulbehörde, nach der eine Schule innerhalb der vom Grundgesetz gesetzten Grenzen Meinungsvielfalt und Diskussion ermöglichen muss und als neutrale staatliche Organisation keine politische Vorauswahl von Meinungen und Politikrichtungen treffen darf, solange sie nicht als verfassungswidrig einzustufen sind.
Bildungssenator Ties Rabe dazu: „Politische Diskussionen in Schulen sind manchmal unbequem, denn dabei darf keine Partei grundsätzlich ausgeschlossen werden. Deshalb gibt es keine einfachen Lösungen. Eine Schule muss pädagogisch klug entscheiden, ob sie sich der Aufgabe stellt. Sie kann solche Diskussionen auch ablehnen. Umgekehrt kann es aber manchmal auch richtig sein, den Schülerinnen und Schülern nach guter Vorbereitung eine Diskussion mit Politikerinnen und Politikern zu ermöglichen. Spätestens nach der Schule werden sie ohnehin mit allen Facetten der Politik konfrontiert, da ist es wichtig, dass sich die Schule dieser Verantwortung stellt.“
Zu den festen Diskussionsformaten zählt auch der 2007 ins Leben gerufene EU-Projekttag, an dem Schüler an ihrer Schule mit einer Politikerin oder einem Politiker diskutieren können. Der Termin wird bundesweit durch das Bundeskanzleramt festgelegt, teilnehmen dürfen alle Schulen und alle Abgeordneten aus Bundestag, EU-Parlament und Bürgerschaft. Die Schulbehörde vermittelt zwischen Politikern und Schulen die Kontakte auf der Grundlage von Themen- und Terminwünschen, die beide Seiten unabhängig voneinander an die Schulbehörde schicken. Dort, wo die Rückmeldebögen die größte Übereinstimmung aufweisen, vermittelt die Schulbehörde den Kontakt. Das Verfahren wird seit Jahren unfall- und konfliktfrei auf Sachbearbeiterebene organisiert.
In diesem Jahr gab es zahlreiche Diskussionsveranstaltungen, an der diesmal auch der AfD-Abgeordnete in der Hamburgischen Bürgerschaft, Alexander Wolf, teilnahm. Zwischen seinen Themen- und Terminwünschen sowie den Themen- und Terminwünschen des Helene-Lange-Gymnasiums wurde die größte Übereinstimmung festgestellt und entsprechend der Kontakt ermöglicht. Eine Schule kann selbstverständlich das Gesprächsangebot eines Politikers jederzeit ablehnen. Das Helene-Lange-Gymnasium hat sich nach schulinternen Überlegungen entschieden, den Politiker einzuladen und sich der Aufgabe zustellen. Die Diskussion verlief engagiert und kontrovers, die Schüler zeigten sich hervorragend vorbereitet. Der Schulleiter hat das Vorgehen den Beteiligten an der Schule und auch den Eltern ausführlich erläutert. Leider ist das Helene-Lange-Gymnasium und insbesondere die Schulleitung seitdem Zielscheibe von Netzaktivisten und sieht sich zahlreichen Angriffen ausgesetzt. Rabe: „Die öffentliche Kampagne gegen das Gymnasium und die Schulleitung sowie gegen die Schulbehörde ist absurd. Die Schule hat verantwortungsvoll gehandelt und ihre Schülerinnen und Schüler nicht nur auf die Diskussion gut vorbereitet, sondern auch auf das Leben nach der Schule. Das verdient Respekt.“
Modellprojekt „möglichmacher*“: Schulbehörde stärkt Schwerpunktschulen für Inklusion
Rückenwind für Hamburgs Schwerpunktschulen für Inklusion: Die Schulbehörde will ihre besonders gut ausgestatteten Schulen für Kinder mit speziellen Förderbedarfen in den Bereichen Hören, Sehen, Autismus, geistige Entwicklung oder körperliche und motorische Entwicklung stärken und hat ein umfangreiches Maßnahmenpaket geschnürt. Eine dieser Maßnahmen ist das gerade gestartete Modellprojekt „möglichmacher*“, an dem elf Hamburger Grund- und Stadtteilschulen - darunter zwei Langformschulen - teilnehmen. Das Projekt ist zunächst auf drei Jahre befristet.
Seit dem Schuljahr 2010/11 arbeiten alle staatlichen allgemeinen Hamburger Schulen inklusiv, Schüler mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf werden gemeinsam unterrichtet. Eltern dürfen frei wählen, ob ihr Kinder eine Regel- oder eine Sonderschule besucht. Kindern mit speziellen Förderbedarfen in den Bereichen Hören, Sehen, Autismus, geistige Entwicklung oder körperliche und motorische Entwicklung stehen zurzeit allerdings noch nicht alle 310 allgemeinen Schulen offen, sondern 59 gut ausgestattete Schwerpunktschulen. Diese 35 Grundschulen und 24 Stadtteilschulen sind aufgrund ihrer personellen, konzeptionellen, räumlichen und sächlichen Ausgestaltung besonders gut in der Lage, Schüler mit speziellem Förderbedarf aufzunehmen.
Bildungssenator Ties Rabe: „Hamburg ist bei der Inklusion weit vorangekommen. In keinem anderen Bundesland ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen an Sonderschulen so stark gesunken und umgekehrt die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Förderbedarf an allgemeinen Schulen so stark gestiegen.“ Dass davon alle Schüler - leistungsstarke und leistungsschwächere – profitieren, bestätigen die sehr positiven Ergebnisse für Hamburg im Rahmen der bundesweiten Lernstandsuntersuchungen. Rabe: „Wir wollen die Inklusion deshalb weiter verbessern. Schwerpunktschulen bieten Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen schon jetzt gute Perspektiven. Ihre Arbeit wollen wir so weiterentwickeln, dass künftig noch mehr Schulen ihre Türen für Kinder und Jugendliche mit speziellen Behinderungen öffnen können.“
Aktionstag Pflege: Schüler der Stadtteilschule Wilhelmsburg testen Pflegeberufe
Der Patient heißt heute „Herr Müller“, seine Erkrankung „Apoplex“, also: Schlaganfall. Name und Diagnose stehen auf den Notenlinien einer Schultafel in der Stadtteilschule Wilhelmsburg. Dort weichen Violinschlüssel und Melodien heute der medizinischen Fachsprache der Pflegekräfte. Sie geben den Schülerinnen und Schülern am „Aktionstag Pflege“ Einblicke in ihren Berufsalltag, zum Beispiel bei Fallbesprechungen zu fiktiven Patienten wie Herrn Müller oder beim Verbandswechsel im Klassenzimmer nebenan.
Auch Bildungssenator Ties Rabe und Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks sind zum Berufsorientierungstag gekommen, um mit den Schülern über die Chancen im Pflegeberuf zu sprechen. Rabe: „Eine Ausbildung in der Pflege ist für junge Menschen attraktiv. Das stellen immer mehr Jugendliche fest.“ Immerhin habe sich die Zahl der Auszubildenden in Hamburg allein in der Altenpflege sowie der Gesundheits- und Pflegeassistenz und Haus- und Familienpflege von 919 auf jetzt 2035 mehr als verdoppelt. Insgesamt absolvieren in Hamburg derzeit mehr als 4.000 Pflegeschüler eine Ausbildung im Bereich Pflege. Mit der kommenden Reform wird die Pflegeausbildung ab 2020 sogar noch attraktiver. „Es lohnt sich also, dass Schülerinnen und Schüler mehr darüber erfahren, welche Chancen sich ihnen in der Pflege bieten“, so Rabe.
Die 14-jährige Gizem ist bereits überzeugt: „Ich werde Kinderkrankenpflegerin.“ Sie war schon selbst Patientin und erinnert sich noch gut an die Pfleger, die sich um sie gekümmert haben. Auch ihre Freundin Flor ist sicher: „Ich wollte das schon, als ich ganz klein war. Ich gehe einfach gern mit Menschen um.“ Die Mädchen umwickeln sich gegenseitig Kopf und Hände mit dem Verbandsmaterial, das auf den Schultischen bereit liegt. Pflegekraft Merle Christensen schaut ihnen dabei über die Schultern, lächelt und lässt sie gewähren. Ein professioneller Verband ist zwar noch nicht entstanden, aber die Freude am Beruf. Und die Profession lernen die Mädchen dann in Zukunft, während ihrer Ausbildung.
Weitere Aktionstage an Stadtteilschulen sind geplant, der nächste findet voraussichtlich in Barmbek statt. Weitere Informationen dazu gibt Antje Prütz von der Behörde für Gesundheit und Verbraucher-schutz, antje.pruetz@bgv.hamburg.de
Projekt Family Literacy: Hier arbeiten Kinder und Eltern gemeinsam an Sprachdefiziten
Das Integrationsprojekt Family Literacy, kurz FLY, fördert nicht nur die Lese- und Schreibkompetenz von Schülerinnen und Schülern, sondern auch die der Eltern. Seit 2005 will das Projekt die Fähigkeiten der Eltern stärken, den Schriftspracherwerb ihrer Kinder zu Hause besser begleiten zu können. Denn: Wenn die Eltern gebildet sind, sind es auch die Kinder. Inzwischen nehmen mehr als 80 Hamburger Schulen an dem Programm teil, jedes Jahr kommen neue Standorte hinzu. Aktuell haben Schulen wieder die Möglichkeit, sich für das kommende Schuljahr für FLY zu bewerben - und eventuell sogar eine Anschubfinanzierung zu erhalten.
Für Kinder aus Migrantenfamilien sind mangelnde Sprachkenntnisse oft die häufigste Ursache für schlechte Bildungserlebnisse. Beim Projekt FLY geht es darum, mögliche Sprachdefizite frühzeitig aufzufangen und die Lese- und Schreibkompetenz von Kindern und Eltern bereits ab der Vorschule zu fördern. Wesentlich beim Konzept von Family Literacy ist der integrative Ansatz: Eltern sollen zur aktiven Elternmitarbeit motiviert werden. Zum Hintergrund: Das UNESCO-Institut für Lebenslanges Lernen und das Hamburger Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) haben 2005 das erste deutsche Pilotprojekt in Hamburg gestartet. Das Projekt war Teil eines fünfjährigen Modellversuchs zur „Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund“ der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung. Nach Projektende wurde FLY Teil des Hamburger Sprachförderkonzepts.