Interview mit Senator Ties Rabe zur Ida Ehre Schule:
„Ich rede, wenn ich die Fakten kenne“
In den letzten Tagen war die Ida-Ehre-Schule in Eimsbüttel im Fokus der Öffentlichkeit. Die Behauptung, in der Stadtteilschule würde für linksextremistische Positionen geworben, hatte für viel Aufregung in der Stadt gesorgt.
Newsletter:Herr Rabe, Sie haben sich zunächst nicht zu den Vorfällen geäußert. Warum nicht?
Senator Rabe: „Ich rede, wenn ich die Fakten kenne. Und das hat leider etwas gedauert, weil es nicht leicht war, in den Ferien alle Fragen zu klären. Deshalb hat mich der heftige Streit gewundert. Niemand kannte die Fakten, und dennoch hatten alle sofort eine sehr zugespitzte Meinung, die Medien voran, aber auch die Politik. Dieses neue Denunziationsportal ist unerträglich, da geht einem zu Recht die Galle über, aber in einer Demokratie sollten wir uns erst informieren und dann streiten.“
Newsletter:Wie bewerten Sie die Vorwürfe gegen die Schule?
Senator Rabe: „Die Vorwürfe wurden dramatisch übertrieben. Die Ida-Ehre-Schule macht gute Arbeit. Es gibt dort keine linksradikalen Umtriebe. Vielmehr distanziert sich die Schule von Gewalt sowie von verfassungswidrigen Aktivitäten und hat gute pädagogische Konzepte. Aber es gab einen einzelnen Verstoß gegen die Neutralitätspflicht. Das war kein Weltuntergang, aber ein Fehler.“
Newsletter:Was bedeutet eigentlich die Neutralitätspflicht?
Senator Rabe: „Schüler und Lehrkräfte einer Schule haben in der Schule das Recht, eine eigene Meinung zu entwickeln und frei zu äußern. Ein Schüler darf in der Schule sagen „All cops are bastards“, obwohl ich das politisch nicht teile. Aber um diese Meinungsfreiheit der Schüler zu schützen, darf die Schule als staatliche Institution keine politische Meinung vorgeben. Deshalb dürfen in einer Schule keine politischen Plakate oder Aufkleber hängen, egal von wem oder gegen was.“
Newsletter:Was darf eine Schule überhaupt in punkto Meinungsfreiheit?
Senator Rabe: „Bei Plakaten, Aufklebern und Kritzeleien ist abzuwägen: Kritzelt ein Schüler „Atomkraft Nein Danke“ auf die Klotür, ahnt jeder, dass diese Kritzelei keine Aussage der Schule ist. Klebt aber der Sticker „All cops are Bastards“ wochenlang im Treppenhaus, entsteht der Eindruck, die Schulgemeinschaft findet das gut. Und das verstößt gegen die Neutralitätspflicht. Eine Schulgemeinschaft muss nicht jeden Aufkleber im Klo nach zehn Minuten beseitigen, aber darf auch nicht wochenlang politische Aufkleber in Eingangsbereich oder Treppenhaus hängen lassen.“
Newsletter: Die Schule sagt, die Aufkleber gehörten zu einem Unterrichtsprojekt. Stimmt das?
Senator Rabe: „Werden politische Plakate oder Aufkleber im Unterricht als Lernmaterial eingesetzt, ist das kein Verstoß gegen die Neutralitätspflicht, solange das in pädagogisch angemessener Form geschieht und als Unterricht erkennbar ist. Das war an der Ida-Ehre-Schule nur eingeschränkt der Fall. Einige Aufkleber waren wohl für den Unterricht. Sie klebten aber monatelang in der Klasse, ohne dass der Unterrichtsbezug erkennbar war. Entscheidend aber ist, dass die gleichen Aufkleber zudem im Treppenhaus, im Eingangsbereich, auf Tischen und im Nebenraum klebten. Und das hatte mit dem Unterricht nichts zu tun. Die Schulgemeinschaft hat das eingeräumt und erklärt, sie hätte die Aufkleber nach den Ferien ohnehin entfernt.“
Newsletter: Der Schulbehörde wurde vorgeworfen, übereilt gehandelt zu haben. Was sagen Sie dazu?
Senator Rabe: „Natürlich prüft die Schulbehörde Vorwürfe und stürmt nicht bei der kleinsten Anschuldigung los. Hier aber war die Lage ganz anders. Die AfD hatte über die Hamburgische Bürgerschaft an den Senat eine Anfrage zu den Vorgängen gestellt. Diese Anfrage wurde von der Bürgerschaftskanzlei zugelassen. Dann ist der Senat gesetzlich durch das Parlament verpflichtet, in acht Tagen zu antworten - ohne jede Ausnahme, auch Weihnachten, in den Ferien, bei Stromausfall oder Sturmflut. Wenn jetzt Abgeordnete fordern, die Behörde solle gegen die vom Gesetzgeber festgesetzten Regeln verstoßen und auf eine Anfrage des Parlaments nicht antworten, ist das ein Vorgang, den ich in meiner langen politischen Laufbahn noch nicht erlebt habe.“
Newsletter: Hat die Schulbehörde die Schule übergangen?
Senator Rabe: „Selbstverständlich haben wir zuerst die Schule zu dem Vorfall befragt. Das machen wir grundsätzlich immer so. In ihrer Antwort hat die Schule allerdings nicht erwähnt, dass es sich bei den Aufklebern um ein Unterrichtsprojekt handelt. Weil die Schule den Fall während der Ferien nicht vollständig aufklären konnte, ist der zuständige Schulrat überhaupt erst in die Schule gefahren. Dort fand er an zahlreichen Stellen politische Plakate und Aufkleber; im Treppenhaus, im Eingangsbereich, auf den Tischen und in zwei Klassenräumen, ohne dass ein Bezug zum Unterricht erkennbar war. Deshalb wurde der Hausmeister angewiesen, die Sticker zu beseitigen.“
Newsletter: Kann man die Aufkleber nicht einfach hängen lassen?
Senator Rabe: „Um die Meinungsfreiheit der Kinder und Jugendlichen zu schützen, darf die Schule als staatliche Institution keine politische Meinung vorgeben. Die Gesetzeslage ist eindeutig und in unserem Grundgesetz verankert. Wenn die Schulbehörde eindeutige Verstöße gegen die Neutralitätspflicht ignorieren würde, könnten wir beim nächsten Mal auch keine radikal-islamischen Sticker oder Nazi-Sticker entfernen. Neutral heißt neutral und nicht halblinks-neutral oder halbrechts-neutral.“
Newsletter: Welche Rolle spielt das umstrittene Internetportal „Neutrale Schulen Hamburg“ bei der ganzen Sache?
Senator Rabe: „Dieses Denunziations-Portal vergiftet das Schulklima. Unsere Lehrkräfte arbeiten mit großem Einsatz und viel Herzblut. Und sie machen ihre Arbeit sehr, sehr gut. Wenn wir heute gemeinsam in einer schönen und sozialen Stadt leben, in der Menschen aus allen Kulturkreisen und allen Ländern sehr gut miteinander umgehen, dann ist das vor allem ein Verdienst unserer Schulen und unserer Lehrkräfte. Es ist unerträglich, wenn unsere Lehrkräfte durch dieses Portal unter Generalverdacht gestellt werden, wenn Schüler, Eltern und Lehrkräfte gegeneinander aufgehetzt werden und die Schulgemeinschaft gespalten wird.“
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