Reform der Lehrerausbildung: Eigenständiges Lehramt für Grundschulen - Gymnasiallehrkräfte für Stadtteilschulen
Die Lehrerausbildung in Hamburg wird reformiert. Bildungssenator Ties Rabe und Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank haben am vergangenen Freitag die Pläne vorgestellt. Die grundlegenden Änderungen: In Zukunft wird es einen eigenständigen Studiengang für das Lehramt an Grundschulen geben. Dafür entfällt das bisherige Kombi-Lehramt für Grund-, Haupt- und Realschulen (GHR), da es in Hamburg seit Gründung der Stadtteilschulen ohnehin keine Haupt- und Realschulen mehr gibt. Die zweite Änderung betrifft die weiterführenden Schulen: Da sich der Einsatz von Gymnasiallehrkräften an Stadtteilschulen in den letzten Jahren außerordentlich bewährt hat, soll es künftig nur noch das Gymnasiallehramt für beide Schulformen geben.
Angehende Grundschulpädagogen müssen in Zukunft drei statt bisher zwei Fächer aus dem Fächerkanon der Grundschule studieren, zwei davon müssen Deutsch und Mathematik sein. Die mit diesen Kernfächern verbundenen Kompetenzen sind der entscheidende Schlüssel für alle weiteren Lernprozesse und letztlich für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Darüber hinaus haben wissenschaftliche Studien nachgewiesen, dass Schülerinnen und Schüler erfolgreicher lernen, wenn ihre Lehrkräfte das Unterrichtsfach umfassend studiert haben. Der inhaltliche Fokus der beiden Kernfächer wird dabei auf die Anforderungen der Grundschule ausgerichtet. Ergänzt wird das Studium um einen "freien Studienanteil" für individuelle Schwerpunktsetzungen.
Das Gymnasial-Lehramtsstudium wird künftig zum Regellehramtsstudium für Gymnasien und Stadtteilschulen. Ohnehin wurden in der Vergangenheit bevorzugt Gymnasiallehrer an den Stadtteilschulen eingestellt, aktuell unterrichten hier gleich viele Gymnasial- wie GHR-Lehrkräfte. Für den Einsatz von Gymnasiallehrkräften spricht auch die Tatsache, dass sie flexibler eingesetzt werden können, denn fast alle Stadtteilschulen haben inzwischen eine eigene Oberstufe. Das Gymnasial-Lehramtsstudium zielt weiterhin auf eine Lehrbefähigung in zwei Unterrichtsfächern bis zum Abitur und bleibt im Kern unverändert. Der hohe Anteil der fachlichen und fachdidaktischen Ausbildung soll bewahrt bleiben, die pädagogische Ausbildung soll künftig Schwerpunktsetzungen ermöglichen und besser auf die Aufgaben der Binnendifferenzierung, Begabungsförderung und Inklusion vorbereiten.
Anlass für die Reform ist, dass das Lehramtsstudium in Hamburg nicht mehr der Wirklichkeit entspricht. Der nur noch in Hamburg angebotene einheitliche Studiengang für Lehrkräfte an Grund-, Haupt- und Realschulen passt nicht mehr zur hiesigen Schulstruktur und wird nach einem Beschluss der Kultusministerkonferenz bundesweit seine Anerkennung verlieren. Mit den nun vorgelegten Reformplänen folgt der Senat der Empfehlung der 2015 eingesetzten Expertenkommission, die Ideen für eine bessere Ausbildung von angehenden Lehrkräften entwickeln sollte. Voraussichtlich ab dem Wintersemester 2019/20 werden die neuen Regeln in Kraft treten.
Herkunftssprachlicher Unterricht an Schulen: Vorhandene Angebote sollen ausgebaut werden
Sprachen stehen bei Hamburgs Schülern hoch im Kurs. Mehr als 20 Fremdsprachen werden an Hamburgs Schulen unterrichtet, es gibt zahlreiche bilinguale Angebote und sogar Schulen, die fast alle Fächer auf Englisch unterrichten. Gut nachgefragt wird auch der herkunftssprachliche Unterricht, bei dem Schüler mit ausländischen Wurzeln ihre Muttersprache lernen. Dieses Angebot machen in Hamburg neben zahlreichen staatlichen Schulen auch in kleinerem Umfang ausländische Konsulate in selbst angeboten Nachmittagskursen. Im Schuljahr 2016/17 besuchten beispielsweise 851 Kinder und Jugendliche nach der Schule den türkischen Konsulatsunterricht, weitere 363 portugiesischen, kroatischen, serbischen oder spanischen Konsulatsunterricht. Die hohe Nachfrage nach diesen privaten Angeboten zeigt, dass offenbar eine Lücke im staatlichen System besteht - die soll jetzt geschlossen werden.
Der Konsulatsunterricht ist ein ergänzendes, freiwilliges Nachmittagsangebot, das - im Gegensatz zum herkunftssprachlichen Unterricht - nicht der staatlichen Schulaufsicht unterliegt. Die Schulbehörde unterstützt das Angebot mit sehr geringen Zuschüssen, hat dafür umgekehrt aber auch das Recht zur Überprüfung und Hospitation. Die Schüler werden von Konsulatslehrkräften in ihrer Muttersprache und in Heimatkunde unterrichtet. Allerdings birgt ein solches Unterrichtsangebot außerhalb der staatlichen Bildungspläne und Schulaufsicht auch Nachteile: So ist der Konsulatsunterricht nicht in den Regelbetrieb der Schulen eingebunden, und den Schülerleistungen fehlt es im Hinblick auf ihre Schullaufbahn an Anerkennung.
Deshalb plant die Schulbehörde, die vorhandenen eigenen Angebote auf Basis der Hamburger Bildungspläne auszubauen: in der Sekundarstufe I als Wahlpflichtfach und in der Grundschule im Rahmen des zusätzlichen herkunftssprachlichen Unterrichts. Ein entsprechendes Ersuchen ist dem Senat in der vergangenen Woche zugegangen.
Der Konsulatsunterricht entstand in den 1970er Jahren, als viele der sogenannten "Gastarbeiter" nach Deutschland kamen. Der Unterricht soll sich an einer Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften über die Kinder von "Wanderarbeitnehmern" orientieren. Die Nachfrage speziell nach türkischem Konsulatsunterricht ist rückläufig: Waren es 2009 noch 1.598 Mädchen und Jungen, nahmen 2016/17 nur noch 851 Schüler das Angebot in Anspruch. 2016 haben insgesamt 34 türkische, zwei tunesische, sechs portugiesische, zwei spanische, ein serbischer und drei kroatische Konsulatslehrkräfte an Hamburgs staatlichen Schulen unterrichtet.
Hamburger Bildungspreis 2017: Neun Schulen, zwei Kitas und Staatliche Jugendmusikschule ausgezeichnet
Seit 2010 vergeben Haspa und Hamburger Abendblatt den mit insgesamt 100.000 Euro dotierten Hamburger Bildungspreis. Damit werden Bildungseinrichtungen im vorschulischen und schulischen Bereich für innovative und pädagogisch besonders gelungene Projekte ausgezeichnet. Am Donnerstagabend wurden im Theater Kehrwieder in der Speicherstadt neun Schulen, zwei Kitas und die staatliche Jugendmusikschule ausgezeichnet. Bildungssenator Ties Rabe: "Vieles von dem, was an Hamburgs Schulen geleistet wird, steht nicht in den Bildungsplänen. Engagierte Lehrkräfte entwickeln kluge Ideen und setzen sie in die Tat um. Sie erweitern den Horizont der Kinder und Jugendlichen, bieten Anreize und geben ihnen Erfahrungen mit, die auch für das Leben nach der Schulzeit wertvoll sind."
Im Frühjahr eines jeden Jahres können sich alle Hamburger Schulen und Kitas für den Preis bewerben. Eine Jury wählt anschließend zehn Preisträger aus, die neben der begehrten Auszeichnung je 10.000 Euro erhalten. Bei der Auswahl wird auf den gesellschaftlichen Wert der Projekte geachtet, auf deren Nachhaltigkeit und auch darauf, wie gut sie auf andere Einrichtungen übertragbar sind. In diesem Jahr überzeugte beispielsweise die Ida Ehre Schule in Eimsbüttel mit einem besonderen Theaterprojekt, das seit fünf Jahren Fünftklässler erfolgreich darauf vorbereitet, genau hinzuschauen und miteinander über Dinge zu sprechen. Die Stadtteilschule Alter Teichweg in Dulsberg gewann mit ihrer "Filmfabrik", die dafür sorgen soll, dass alle Schüler am Ende ihrer Schulzeit mindestens einmal einen Film gedreht haben. Übrigens: Beide Schulen nehmen am Programm "Kulturagenten" teil.
Die weiteren Preisträger: Im vorschulischen Bereich gewannen der deutsch-chinesische Kindergarten in Eimsbüttel und die Kita Schneverdinger Weg in Wilstorf. Die Grundschule In der Alten Forst in Eißendorf überzeugte mit ihrem Schach-Projekt, die katholische Grundschule St. Joseph in Wandsbek mit ihrer Lerntherapie. Die Heinrich-Hertz-Schule in Winterhude bekam für ihr ökologisches und soziales Ehrenamt einen Preis, die Stadtteilschule Walddörfer in Volksdorf für ihr Projekt "Bildung für nachhaltige Entwicklung". Ausgezeichnet wurden außerdem das Projekt "MRG-Wochenschau" des Margaretha-Rothe-Gymnasiums in Barmbek, die Mathematischen Modellierungstage des Gymnasiums Süderelbe und das Theaterprojekt des Helmut-Schmidt-Gymnasiums in Wilhelmsburg. Die staatliche Jugendmusikschule wurde für das Projekt "Jamliner" ausgezeichnet.
Senatsempfang für einen Kenner der Hamburger Schulpolitik
Wenn über die Hamburger Schulpolitik gesprochen wird, dann ist meist auch von Professor Dr. Reiner Lehberger die Rede. Nach rund 20 Jahren als Vorsitzender des Landesschulbeirats wurde der 69-Jährige jetzt mit einem Senatsempfang im Hamburger Rathaus verabschiedet. Lehberger ist Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Hamburg und Mitbegründer des Hamburger Schulmuseums sowie pädagogischer Leiter des Bildungsprogramms der ZEIT-Stiftung. Außerdem war er viele Jahre lang Leiter des Zentrums für Lehrerbildung (ZLH) und hat als Vorsitzender des Landesschulbeirates insgesamt acht (!) Bildungssenatoren in grundsätzlichen Fragen des Schulwesens beraten. Einem größeren Publikum wurde er durch seine Bücher mit Loki Schmidt und seine Biographie über die ehemalige Kanzlergattin und Pädagogin bekannt. Bildungssenator Ties Rabe verabschiedete den langjährigen Weggefährten: "20 Jahre lang hast du dich in deiner knappen Freizeit ehrenamtlich in den Dienst der Hansestadt gestellt, immer konstruktiv und vermittelnd. Ein Mensch, mit dem ich gerne zusammengearbeitet habe."
Stadtteilschule Stellingen im Porträt: Demokratie will gelernt sein
Eine Grundvoraussetzung für Demokratie und den Abbau von Vorurteilen ist Bildung. An der Stadtteilschule Stellingen lernen Schülerinnen und Schüler auf ganz unterschiedliche Weise, was eine demokratische Gesellschaft ausmacht. Eine Möglichkeit sind Auslandsaufenthalte. Bei einem Schüleraustausch in Bosnien-Herzegowina haben 17 Jugendliche gerade erlebt, dass Meinungsfreiheit nicht überall so selbstverständlich ist wie bei uns. "In Bosnien sprechen die Menschen aus Angst vor Repressalien in der Öffentlichkeit lieber keine politischen Themen an", erzählt Abiturient Finn (18). Der Bosnienkrieg, vor 22 Jahren blutig beendet, werde im Geschichtsunterricht einfach ausgelassen. Nicht selten blicken die Schüler nach einer solchen Reise mit anderen Augen auf ihre Heimat. Finn: "Uns geht es extrem gut in Deutschland."
Bereits seit 2005 organisiert die Stadtteilschule Austauschprojekte mit der bosnischen Metropole Sarajevo. Auch mit Schulen in Spanien und Nicaragua bestehen langjährige Kooperationen. "Schüler brauchen mehr als nur guten Unterricht", findet Schulleiter Bernd Mader. Durch die Reisen würden die Jugendlichen lernen, ihren Horizont zu erweitern und über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Austauschprojekte sind allerdings nur ein Weg, den Schülern im Vergleich aufzuzeigen, dass es auf der Welt große Unterschiede gibt, wenn es um Meinungsfreiheit, Bildungsmöglichkeiten und Demokratieverständnis geht. Daneben gibt es an der Stadtteilschule Stellingen eine ganze Reihe praktischer Möglichkeiten für Schüler, die Rechte und Pflichten wahrzunehmen, die Meinungsfreiheit und Demokratieverständnis bieten, beziehungsweise erfordern: sich einzubringen, mitzubestimmen und den Schulalltag mitzugestalten.